Till R. Amelung & die Satanic Panic

Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf unserer Debunking SRA Seite eingestellt; Autoren: Marvel Stella und Nora Sillan

Inhaltsverzeichnis
Wer ist Till Randolf Amelung?
Support auf Twitter
Der Talk auf YouTube zwischen André Sebastiani und Till R. Amelung
Ein Vergleich, der keiner ist
„Die tatsächliche Form von rituellem Missbrauch“
Dissenting opinion?

Wer ist Till Randolf Amelung?

Vorweg möchte ich kurz schildern, wer Till R. Amelung ist, denn die meisten unserer Leser werden ihn wohl kaum zuordnen können.

Der im Jahr 1984 geborene Amelung ist freier Autor und Herausgeber des Sammelbands „Irrwege – Analysen aktueller queerer Politik“. Als trans Mann nimmt er in der queeren Szene, so aber auch in der Szene, die sich gegen die Genderpolitik positioniert, eine besondere Stellung ein.

  • Auf Queer-Seite kann kaum jemand verstehen, dass der größte Kritiker (u.a. gegenüber dem Selbstbestimmungsgesetz) aus den eigenen Reihen kommt und
  • auf der anderen Seite – unter anderem jene der TERF Szene – ist er die Vorzeige-Transperson, auf die man jederzeit verweisen kann, um gegen (vorzugsweise) trans Frauen zu argumentieren, was sehr selten ohne die entsprechend radikalen Feindseligkeiten vonstatten geht.

Auf Grund der kognitiven Dissonanz, die ich jedes Mal erlebt habe, wenn ich versucht war, mich mit ihm zu befassen, habe ich ihm nur sehr wenig Beachtung geschenkt – was vielleicht ein Fehler war, wenn man heute sieht, wie er sich zum Thema „Satanic Panic“ positioniert. Ich habe Amelung auch nur wenig beachtet, als er im Frühjahr 2023 in die GWUP eintrat und sich gleich mit jenen Mitgliedern verband, die einen fast schon fanatisch anmutenden bzw. zumindest sehr unangemessenen Kampf gegen die Critical Studies, insbesondere gegen die Gender- Studies und Identitätspolitik, führten. Diese Mitglieder sorgten innerhalb der GWUP für eine fatale Spaltung, die nun leider auch Einfluss auf die Aufklärungsarbeit hat, welche summa summarum bereits Jahrzehnte im deutschsprachigen Raum umfasst.

Auf Basis dieser GWUP-Spaltung (die genauen Hintergründe spielen bei diesem Thema nur eine nebengeordnete Rolle) bildete sich kürzlich eine neue Gruppierung mit dem Namen „Skeptische Gesellschaft“ (SkepGes), der auch Till Randolf Amelung angehört. Diese Gesellschaft eröffnete vor wenigen Tagen ihren YouTube Kanal mit einem Talk zwischen André Sebastiani und Till R. Amelung. Worum ging es? Buchautor und GWUP-Neumitglied Amelung hatte einen Vortrag zum Thema trans für die SkepKon im Mai 2024 eingereicht, der jedoch nun zurückgewiesen wurde. Grund war seine Unterstützung – beziehungsweise seine mangelnde Abgrenzung – von der Verschwörungstheorie rituelle Gewalt, die Amelung auf Twitter offen supportet.

Auf diesen Support, so auch auf das, was Amelung im Video erklärend zum Ausdruck bringt, inklusive einer Gefahr, die wir erneut wahrnehmen, gehen ich im Folgenden der Reihe nach ein.

Support auf Twitter / X

Als ich den Grund erfuhr, warum Amelung auf der Skepkon 2024 als Vortragender nicht zugelassen wurde, begann ich sogleich mit den Recherchen und staunte nicht schlecht: Er supportet auf Twitter vor allem eine Person, die bekannt dafür ist, nicht nur die satanische, sondern auch die moralische Panik zu verbreiten, inklusive der Mind Control-Theorie. Auch bringt sie regelmäßig professionelle und aufklärende Menschen in Verruf, stellt diese aus nicht nachvollziehbaren Gründen zur Rede und bringt sie mit Situationen oder Sachlagen in Verbindung, zumeist durch suggestive Fragen, die völlig absurd erscheinen. Letztendlich – und das macht sie wohl auch ein Stück weit glaubwürdig – versucht sie den Anschein zu erwecken, sie sei eine öffentliche Person bzw. Amtsinhaberin oder aber unterstützend mit Ämtern verbunden.

Konkret reden wir hier von Angelika Oetken, die sich aus persönlichen Gründen für Opferschutz einsetzt, was an sich lobenswert wäre, wenn es denn seriös vonstatten ginge. Allerdings ist hier das Gegenteil der Fall. So schreibt Oetken unter anderem:

Gepostet am 24.12.2023von Till R. Amelung gelikt, so auch weitere Beiträge in diesem fortlaufenden Thread

Der Tweet über den Audiobeitrag wurde von Amelung gelikt und sogar retweetet – genauso wie folgendes Posting, womit Oetken aufzeigen wollte, dass Jan Böhmermann in seiner Sendung über rituelle Gewalt schlecht recherchiert hätte:

gepostet am 11. 09. 2023von Amelung gelikt und retweetet

GWUP-Chefreporter Bernd Harder schrieb übrigens einen aufklärenden Hinweis unter das Posting von Stephen Kinzer, wo er auf das Scheitern der Bewusstseinskontrolle hinwies und darauf, dass MKUltra nicht dem entsprach, was sich Satanic-Panic-Anhänger unter diesem Begriff vorstellten.

Doch nicht nur Postings von Angelika Oetken zum Thema rituelle Gewalt wurden von Amelung befürwortet, sondern auch Tweets eines Users namens Sascha Silver, der sich sehr oft konkret in diesem Zusammenhang mit Oetken die Bälle zuspielt. Mit folgender Aussage positionierte sich Silver im August 2023 klar gegen die Aufklärungsarbeit der Kriminalpsychologin Lydia Benecke und der GWUP – und erntete dafür ein Like von Till R. Amelung:

gepostet am 18. 08. 2023 – von Amelung gelikt

Man könnte an dieser Stelle noch sehr viel mehr Quellen einfügen: Beiträge, die ganz klar die Mind Control Theorie verteidigen, die die Satanic Panic unterstützen und Böhmermann unterstellen, sich über Opfer lustig zu machen. Unentwegt bekommen Angelika Oetken und zwischendurch auch Sascha Silver Support von Till Randolf Amelung, was unmissverständlich klar macht, welche Position er vertritt. Denn man likt nicht einfach so, weil das Gegenüber ein netter Mensch ist, sondern man likt und retweetet Beiträge, wenn man mit der darin geäußerten Meinung übereinstimmt.

(Foto lässt sich mit einem Klick erweitern)

Quelle: X/Twitter, 09.09.2023

Derartige Tweets, Retweets und Likes bildeten die Basis für die aktuelle Entscheidung über Amelungs Vortrag bei der SkepKon, worüber er sich mit André Sebastiani im eingangs erwähnten YouTube-Video austauscht.

Der Talk auf YouTube zwischen André Sebastiani und Till R. Amelung

Was Till Amelung unter Satanic Panic versteht, macht er zu Beginn des Videos deutlich: Kindermordende Eliten, QAnon, Pizzagate, Adrenochrom & Co sind die Beispiele für rituelle Gewalt im Zusammenhang mit Satanic Panic, die von Amelung genannt werden (vgl. Minute 2:52f.) Doch diese Phänomene machen nur einen kleinen Teil der gesamten Verschwörungstheorie aus. Das gewaltige Spektrum dieser seit den 1980er/90er Jahren grassierenden Theorie der rituellen Gewalt lässt sich nicht mit winzigen Splittergruppierungen erklären. Das Ausmaß und die Gefahr, die die Satanic Panic mit sich bringen, bleiben unerwähnt – eine Tatsache, welche eine mehr als oberflächliche Vorabrecherche seitens beider Personen des Talks nahelegt.

Ob Amelung an „Satanistenzirkel“ glaube, die organisierten rituellen Missbrauch betreiben, wird er im Verlauf des Interviews gefragt. Seine Antwort ist – und das verwundert doch etwas – kein klares Nein, wie man es von einem Skeptiker erwarten könnte, sondern eine begriffliche Relativierung: „Also zunächst mal, ich glaube nicht an sogenannte satanische Eliten im Stile von QAnon und sowas … was aber schon… oder sagen wir mal so, was aber schon ein Thema ist, wo ich glaube, dass man sich auf das, was an jetzt dargestellten Extremen, also das was wir da gerade als Verschwörungsideologie skizziert haben, dass das noch nicht alles zu dem Thema ist, was man sich angucken sollte.“ (Minute 05:16ff.)

Noch einmal das Wesentliche:

Zitat: Till Randolf Amelung

Jemand, der nicht einmal ansatzweise zu erklären vermag, was die These der rituellen Gewalt – ein Betriff der einst von Lawrence Pazder geprägt wurde – bedeutet, möchte, dass man genauer hinschaut? Wir gehen im Absatz „Die tatsächliche Form von rituellem Missbrauch“ näher darauf ein.

Nach diesem Fauxpas verweist Till R. Amelung auf die Aufarbeitungskommission – mit der Betonung, dass diese vom Bundesfamilienministerium unterstützt werde – und auf die Definition von ritueller Gewalt von der Webseite der UBSKM. Diese Definition halte er durchaus für anwendbar und plausibel, wenn man sich auch andere Fallgeschichten in Erinnerung ruft. Also es gibt ja immer wieder mal dann Schlagzeilen, … da wird irgendein… da gibt’s eine … sozusagen Sekte, eine Minisekte, die vorher niemand kannte, und da wurden dann Leute, meistens Familienmitglieder, im Haus, im Grunde genommen gefangen gehalten, dann … dauert es nicht lange, dass dann, nach dieser Befreiungsmeldung, dann in den Details irgendwann auch das Thema sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt auftaucht. (Minute 08:12ff.)

Und genau hier erkennt man erneut die Gefahr, die von einer politisch öffentlichen Stelle wie der UBSKM ausgeht: nämlich die Glaubwürdigkeit, die sie nach außen hin vermittelt. Man muss in die Materie weit eingearbeitet sein bzw. die Personen im Betroffenenrat kennen und somit wissen, dass starke Vertreter der Satanic Panic von Beginn dabei gewesen sind, die das Geschehen lenken und beeinflussen. Wir empfehlen dringend (!) folgende Seite zu lesen, um sich ein Bild darüber zu machen, inwieweit das Netzwerk der Satanic Panic vor allem in den Betroffenenrat der UBSKM eingedrungen ist:

Es ist schlimm genug, dass Personen, die 2023 neu in die GWUP eingetreten sind (Till Amelung), das Narrativ der rituellen Gewalt fördern, anstatt sich klar gegen Verschwörungstheorien zu positionieren. Ganz und gar unredlich ist aber die Tatsache, dass GWUP-Vorstandsmitglieder wie André Sebastiani die jahrelange, mühevolle und keineswegs ungefährliche Arbeit des Vereins torpedieren. Dazu weiter unten mehr.

Ein Vergleich, der keiner ist

Von der Argumentation bemüht Amelung im Video weiters den Vergleich mit der Sekte Colonia Dignidad. Dass er jedoch in die Materie nicht genau eingearbeitet sein kann, zeigt bereits seine falsche Aussprache des spanischen Begriffs in Minute 9:36 des Interviews: Das Wort „Colonia“ wird korrekterweise nicht auf i, sondern auf dem zweiten o des Wortes betont – eine Tatsache, zu welcher man nicht unbedingt der spanischen Sprache mächtig sein muss, sondern wo es genügt, eine der zahlreichen und hervorragenden Dokumentationen (z.B. von Arte) gesehen zu haben, die den Begriff durchgehend korrekt aussprechen.

Auch inhaltlich ist der Versuch, den Begriff rituelle Gewalt mit den brutalen Missbrauchsgeschehen in der Sekte rund um Paul Schäfer zu untermauern, nicht haltbar. Dass es brutale Gewalt in Sekten gibt, ist unbestritten und wird auch von keinem geleugnet. Doch diese Fakten haben mit der ursprünglichen Definition von ritueller Gewalt nichts zu tun: Trotz aller Begriffsaufweichungen und immer weitläufigeren, bewusst verwässernden Definitionen (siehe dazu: „Codierte Geheimsprache„) wissen alle Beteiligten genau, wovon die Rede sein soll, ohne das Wort „satanistisch“ in den Mund zu nehmen.

Neben dem Vergleich mit der Colonia Dignidad ist eine weitere Aussage Amelungs faktisch nicht haltbar: Till Amelung betont, dassin der Kombination mit der sogenannten False Memory auch Traumatherapie und Traumatherapeuten in Bausch und Bogen unter Generalverdacht gestellt werden, komplett als unseriös dargestellt werden“ (Minute 11:53 f.). Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Niemand hat je Traumatherapie per se verunglimpft, im Gegenteil. Dass es in den ganzen jahrelangen Aufklärungen darum geht, vulnerable Patienten vor suggestiven Fehltherapien zu schützen, scheint Amelung komplett entgangen zu sein.

„Die tatsächliche Form von rituellem Missbrauch“

Moderator Sebastiani scheint im Interview übrigens Amelungs Sichtweise über rituelle Gewalt zuzustimmen: Wenn ich alles über den Kampf Satanic Panic schere, laufe ich Gefahr, dass ich vielleicht und wenn … selbst wenn das nur Einzelpersonen sind, die von der tatsächlichen Form von rituellem Missbrauch betroffen sind, laufe ich Gefahr, dass die vielleicht der Lächerlichkeit preisgegeben werden oder nicht ernst genommen werden.“ (Minute 11:25f.) Aber: Welche „tatsächliche (!) Form des rituellen Missbrauchs“ meint Sebastiani, wenn er von etwaigen Einzelpersonen spricht und warnt, nicht alles „über den Kamm Satanic Panic zu scheren“?

Auch betont André Sebastiani im weiteren Verlauf des Talks, dass man hier und da mal über den Tellerrand hinausschauen muss und daran dann auch seine Argumente schärfen müsste“ (Minute 19:36f.).

Hierzu sei klar gesagt: Diese Verschwörungstheorie wird seit Jahrzehnten von Experten unterschiedlicher Fachgebiete (u.a. Juristen, Psychologen, Psychiater, Kriminologen, Polizeibeamten, Staatsanwälten usw.) unter allen Gesichtspunkte intensiv beforscht und untersucht. Diese Experten tun weitaus mehr, als nur „über den Tellerrand zu blicken“. Manche Fälle, die als satanistischer Missbrauch gemeldet worden waren, wurden über zehn Jahre intensiv untersucht, siehe hierzu z.B. einen Artikel der Berliner Zeitung aus dem Jahr 2003. Alle Protagonisten, die in diesem Artikel vorkommen und über satanistische Kultverbrechen sprechen, sagen heute „rituelle Gewalt“ dazu, doch die Begriffsverschiebung ändert nichts am Inhalt der Verschwörungstheorie.

Dieses Wissen kann als Allgemeinwissen vorausgesetzt werden, wenn man langjähriges GWUP-Mitglied ist und im Vorstand sitzt. Zudem wurde dieses Thema bereits 2018 auf der SkepKon behandelt, bei der sogar der ehemalige Kriminalhauptkommissar Dirk Bosse aufgetreten ist. Siehe:

Dissenting opinion?

Um mit einem Zitat von André Sebastiani noch einmal zum geforderten Tellerrandblick zurückzukommen: „Es gibt zur Satanic Panic keine Meinung, über die der Verein einmal abgestimmt hätte. Es gibt einige prominente Mitglieder, die dazu arbeiten, die dazu auch publiziert haben und … gut, da gab es keinen großen Widerspruch, deshalb darf man annehmen, dass wahrscheinlich auch große Teile des Vereins das teilen. Ich wüsste jetzt aber nicht, dass man dazu keine abweichende oder auch differenziertere Meinung haben dürfte.“ (Minute 14:53 ff.)

Wenn also André Sebastiani davon spricht, dass es keine Abstimmung über eine Meinung gebe, scheint er zu vergessen, dass es bei dieser Verschwörungstheorie nicht um Meinungen, sondern um Fakten geht. Wird hier also eine dissenting opinion zu einer bereits erfolgreich debunkten Verschwörungstheorie gefordert? Selbstverständlich kann man zu Verschwörungstheorien alternative Meinungen haben – genauso wie man an UFOs und Alienentführungen glauben kann. In so einem Fall stellt sich jedoch die Frage, was man dann in einer Einrichtung wie der GWUP verloren hat. Gegenüber erwiesenen Verschwörungstheorien, die von Experten bereits in jeglicher Hinsicht debunkt sind, kann es keinen Tellerrandblick mehr geben – das würde nicht nur sämtliche Aufklärungen, sondern auch die GWUP als Verein ad absurdum führen.

Beitragsfoto Quelle: Der Talk auf YouTube zwischen André Sebastiani und Till R. Amelung

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